Es war mal wieder lange ruhig hier, aber der „Winterschlaf“ im Blog ist ja fast schon Standard. Ebenfalls fast Standard ist, dass es über den Winter irgendetwas wildes, langandauerndes gibt, über dass es im Nachhinein irgendwie einen gesammelten Erfahrungsbericht gibt. War es 2020/2021 die Fünfkampfchallenge, die in meinem Laufbahnmarathon gipfelte, 2021/2022 die Notgedrungene Eskalation auf dem Rad mit dem Highlight „virtuelles Everesting“, so ist es diesmal ein Winter im Zeichen des ersten (nahezu) komplett durchgezogenen Trainingsplans. Genutzt habe ich dafür die App twaiv, die einem anhand der Leistungsfähigkeit aus den hochgeladenen Läufen und dem angegebenen Ziel, sowie der verfügbaren Zeit (sowohl je Woche, als auch die Anzahl der Wochen) einen (mehr oder weniger) individuellen Plan zimmert. Das ganze schimpft sich neudeutsch: KI-Coach. Keine Ahnung wie viel Intelligenz da wirklich künstlich ist, oder ob es nur (sehr) anspruchsvolle „klassische“ Algorithmen im Hintergrund gibt – der Preis mit 35€ für 6 Monate absolut fair und für mich in einer Größenordnung wo ich sage: das probiere ich einfach mal aus, notfalls ist es ein etwas teurer Input für mehr Wissen auf meiner Seite. Es gibt die ganze Nummer auch in der Gratisversion, diese hat dann den Nachteil, dass man die Trainings nicht verschieben kann und sie glaube ich auch nicht an Garmin gesynct werden – beides Features, die ich über die Zeit zu schätzen gelernt habe.
So, aber für was habe ich mich denn nun entschieden? Mein Ziel ist ja schlussendlich der Laser-Run im Fünfkampf, also (2023 letztmals) 5*600m Intervalle. Da die kürzeste Distanz in twaiv die 5k Strecke ist habe ich diese als naheliegendste Option gewählt. Bei der Zielzeit war es schwieriger, denn mein Leistungsstand den ich Abrufen kann und der den ich abrufen können möchte ist doch etwas weiter auseinander. Ich entschied mich hier dennoch für die „Extremvariante“: Unter 17 Minuten. Das ist enorm ambitioniert, sicher nicht im Bereich des Möglichen beim Start, aber als Ziel doch realistisch. Zeitlich habe ich 4-5 Trainings pro Woche angegeben und keinen Zieltermin -> somit spuckt der Plan am Ende Einheiten für 20 Wochen, aufgeteilt in fünf 4-Wochen Blöcke aus.
Die Aufteilung ist 4 * Ausdauer, 4 * VO2max, 4* Ausdauer, 4* VO2max, Rennvorbereitung. Das Versprechen ist wie gesagt eine dynamische Anpassung an den aktuellen Zustand und da ich eher keinen aktuellen Zustand hatte stand erstmal die von mir vorgegebene Zielzeit da. Die erste Einheit ist aber ein „Assessment-Lauf“ – nach dem Warm-Up folgt ein 20min Abschnitt den man gefühlt in einer 8/10 laufen soll und dann ein Cool-Down. Das wäre dann die erste Standortbestimmung für die KI-Magic. Den Standort konnte ich aber auch ziemlich gut ohne die Magic selbst bestimmen: es war eher desolat. Mit ach und krach konnte ich ne Pace knapp unter 4min/km halten. Das war gelinde gesagt katastrophal und natürlich extrem weit weg von der angestrebten Zielzeit. Entsprechen korrigierte die App dann auch meine zu laufenden Paces im Plan. hajo, aber was soll’s, so ist der Stand der Dinge nun mal, das kann man nicht ändern. Also: doch, durch Training! Durch die Anpassung aus der App zeigte sich auch gleich der erste große Vorteil der Geschichte (was natürlich auch ein „echter“ Coach so macht): durch die Anpassung der Trainings wird verhindert, dass man sich in den ersten Wochen komplett abschießt weil man meint, man wäre in der Lage auf ein viel zu hoch gestecktes Ziel zu trainieren!
Der Aufbau der Wochen an und für sich weicht dann schon ein wenig von dem ab, was ich eigenständig trainiert hätte. In den Ausdauerblöcken hat man zwei intensive Einheiten (TDL, oder lange Intervalle) je Woche und dazu zwei DL, einer davon lang. Im zweiten Ausdauerblock kommt ein weiterer DL dazu. In sich steigern sich die Geschwindigkeiten und/oder die Dauer der Einheiten von Woche zu Woche, aber alles wirklich moderat. Die VO2Max-Wochen gehen dann tempomäßig ans Eingemachte. Die intensiven Trainings werden zu Einheiten mit kurzen, schnellen Intervallen mit mehr Wiederholungen und man hat zusätzlich zu zwei solchen Brettern noch einen TDL, einen „normalen“ DL und einen Long-Run in der Woche. Das fordert enorm, denn die kurzen Intervalle sind schneller als geplante Race Pace, die restlichen Intensiven Einheiten zielen auf die Schwelle. Die letzet Woche eines 4-Wochen-Blocks ist immer eine Regenerationswoche mit weniger Intensität und Umfang. Klassische Trainingslehre.
Eine Besonderheit sind dann im letzten Block zwei Wochen mit dem Titel „Renn-Spez.“. Hier steigert sich der ganze Spaß auf 4(!) Einheiten mit Intensität. Diese notiere ich mal hier im Detail, denn sie haben mich zum Titel des posts gebracht.
Renn-Spez. 1:
- MO: 90′ DL in easy Pace (Vortag 2h DL)
- DI: Intervalle: 8*2min @3:40
- MI: —
- DO: Intervalle: 5* 1,30 + 5* 0:45, mit jeweils 1:30min Pause in 3:28min/km
- FR: Berganintervalle: 3 * 2*3min @4:05, dazwischen 6min Pause
- SA: —
- SO: TDL / LR: 60min @4:24 + 20min @4:08 + 10min @4:24
Renn-Spez. 2:
- MO: 80′ DL in easy Pace
- DI: Intervalle: 8*2min @3:30
- MI: —
- DO: 50min TDL in 4:16min/km
- FR: Berganintervalle: 2 * 6*1min @4:00, dazwischen 6min Pause
- SA: —
- SO: TDL / LR: 90min @4:50, mit 3 * 20min @3:59 (laut Plan 4:03, aber das konnte ich mit mir nicht vereinbaren)
Manchmal hat man so Einheiten, die einen, vor allem mental, auf ein neues Level heben. Diese letzte Einheit in diesem zwei Wochen Block war so eine! Ich hätte mir nicht mal im Ansatz vorstellen können, dass ich drei Sub20 5k-Läufe in einem Training laufen kann, als ich mit dem Trainingsplan begann. Schon gar nicht nach dem verkorksten Assessment-Lauf am Anfang, bei dem ich es gerade so ein mal geschafft hatte. Die Einheit hat mich zwar absolut an meine Grenzen gebracht, aber ich habe, gerade beim dritten mal mehrmals die Möglichkeit verworfen den vermeintlich leichten Weg vom Kanal weg zu nehmen (der hätte leicht Downhill und weiter auf Asphalt geführt), sondern mich durchgebissen und schlussendlich die Einheit geschafft. Schon alleine dafür hat sich hier alles gelohnt!
Das war aber nicht das einzige Learning, dass ich aus dem Plan ziehe. Er lief nämlich nicht soooo komplett rund.
Nach 12 Wochen im Training, in denen ich alle Einheiten zu 100% umsetzen konnte (+ Festive500 auf dem Rad + Festive100 gerannt – das war aber nur 1 Lauf zusätzlich zum Plan ;)) fiel ich zwei Wochen krankheitsbedingt aus. Da ging wirklich 0, da ich aus den Wochen vorher wusste wie fordernd das alles ist habe ich auch wirklich erst wieder begonnen, als ich fit war. Der Prozess in der App war dabei 1-A! Sobald man sich zurück meldet wird der Plan angepasst mit einer lockeren Wiedereinstiegswoche und so langsam wieder hin geführt in den Rhythmus. Die beiden oben dargestellten Wochen waren die Wochen 3 und 4 nach der Zwangspause. Learning: der Körper kann was! So schnell geht Training nicht verloren.
Auch nach der Pause konnte ich alle Trainings nach Vorgabe laufen. Mein Plan war, dass ich alles auf meinen Alltagswegen (also am Kanal) in meinen „Trainingsschuhen“ laufe. Also schon flach am Kanal, aber eben nicht auf Asphalt oder gar der Laufbahn. Abgesehen von den Berganintervallen, die musste ich am Gehweg zum Kanal hoch laufen. Dazu wollte ich nicht mit den Wettkampf (Carbon) Schuhen trainieren, um mir auch den Boost für den Wettkampf aufzuheben. Was soll ich sagen? Der einzige Lauf den ich verkackt habe war dann der „Wettkampf“ am Ende. Da sich der 20 Wochen Plan nicht mit einem echten Lauf ausging bin ich einfach wieder auf die Bahn gegangen. Rennschuhe dran und ab dafür! Aber ich bin viel zu schnell los, habe mich nicht korrigiert, obwohl ich es gemerkt habe. Dazu kam, dass ich die Carbonschuhe überhaupt nicht mehr gewohnt war und es mir total auf die Waden ging (Überraschung!!). Letztendlich habe ich nach 3 von 5km abgebrochen um mich nicht komplett abzuschießen. Das lief ich nur für mich, in der folgenden Woche steht mit dem Winterwaldlauf erstmals wieder ein „richtiger Laufwettkampf“ an und das ist ne neue Chance. Mit den abgebrochenen 10:40 war ich für sich genommen dennoch zufrieden – die Pace war trotz zu hohem Anfangstempo und entsprechendem Einbruch mit 3:32min/km auf Zielkurs und die Entscheidung nicht mit Gewalt durchzudrücken freut mich heute noch!
Und zu guter Letzt noch ein Learning sozusagen auch als Zusammenfassung wie ich mit einem Trainingsplan umgehen kann: sehr gut. Es liegt mir offensichtlich total eine Vorgabe zu bekommen und die wird dann so gemacht wie sie da steht. Ich kann „blind“ darauf vertrauen, dass das schon seine Richtigkeit hat und habe kein Problem im Zweifel dann einfach der KI die Schuld zu geben 🙂 (das geht sogar noch leichter als einem menschlichen Coach. Außer man kann seinen Coach nicht leiden, aber dann macht man vielleicht auch das Training nicht? 🙂 .. .egal.) Viele der DLs waren in einer Pace 4:25-4:45 min/km. Eine Pace, die ich NIE von mir aus als „qualitatives Training“ ansteuern würde. Das ist die mir eingetrichterte „Grey Zone“ die es zu vermeiden gilt, weil sie zu viel Kraft raubt für zu wenig Effekt. So war/ist zumindest mein Wissensstand. Entweder läufst du gleich langsamer (um die 5:00min/km bei mir) für die Grundlage, oder eben schneller (ab ca. 4:10min/km) für Tempo / Tempohärte. Aber wenn der Plan sagt es stehen 60min in 4:40 an, dann wird das halt gelaufen. Ich konnte es am „Wettkampftag“ zwar nicht zeigen, aber so viele, so harte Trainings die geschafft habe zeigen mir, dass das der richtige Weg für mich war.
Mache ich also weiter mit dem Plan? Tja, das ist die Frage, die ich mir selbst auch noch nicht beantwortet habe. Werde ich mit dem Plan besser/schneller? Definitiv. Ist der Plan das optimale für mich? Ich weiß es nicht. Denn eigentlich stehe ich am gleichen Punkt wie am Anfang: 5km ist nicht mein Trainingsziel. Ich brauche 5*600m im Wettkampf, alles andere ist „Spaß außen herum“. In der App sind die 5km aber das Beste, dass ich für mich kriegen kann. Das war bis hier hin absolut ok, denn die Wettkampfsaison beginnt für mich erst in einem Monat am 29. April. Das bedeutet aber auch: jetzt müsste ich wirklich spezifischer werden. Die Frage auf die alles hinaus läuft: bekomme ich qualitativ besseres Training hin, dass ich mir selbst zusammen stricke (denn darauf würde es hinaus laufen), oder ist der 5km Plan, der in sich schlüssig ist unter dem Strich doch die bessere Wahl für mich, auch wenn er eigentlich ein wenig an meinem Ziel vorbei geht? Stand jetzt tendiere ich dazu den 5km Plan als Grundlage zu nutzen und auf meine speziellen Bedürfnisse anzupassen. Allerdings ist das natürlich Arbeit und die Gefahr besteht, dass ich den Plan „kaputt mache“ indem ich irgendwelche zusammenhänge aufreiße, die bewusst so gesetzt sind (weil mir einfach die Trainingslehre im Hintergrund fehlt) und schlussendlich mir die App auf jeden Fall sagen wird, dass ich am Plan vorbei trainiere. Das ist mir zwar bewusst, aber naja, 100% Trainingsplanerfüllung wirkt halt viel besser auf’s Selbstbewusstsein. Das sollte man glaube ich auch nicht unterschätzen. Jedenfalls sollte ich mich halbwegs schnell entscheiden, denn die Termine stehen vor der Tür.
Erstmal wird in Erlangen aber „nur“ gelaufen – und Spaß ist das Ziel!